Positionierung der medienpolitischen Sprecher*innen der Fraktion DIE LINKE. Bundestag und der Linksfraktionen in den Landtagen

Die Län­der haben ARD, ZDF und Deutsch­landra­dio beauf­tragt, ihre Vorstel­lun­gen zu Auf­trag und Struk­tur­op­ti­mierun­gen vorzule­gen, ins­beson­dere auch dazu, wie der Rund­funkbeitrag kon­stant gehal­ten wer­den kann. Die Sender haben Ende Sep­tem­ber ihre Vorstel­lun­gen vorgelegt. Die Ministerpräsident*innen wollen sich bis Ende März 2018 äußern. Für die linken Medienpolitiker*innen greift die alleinige Debat­te um den öffentlich-rechtlichen Rund­funk zu kurz.

Medi­en sollen in unser­er Gesellschaft der öffentlichen und indi­vidu­ellen Mei­n­ungs- und Wil­lens­bil­dung dienen und Vielfalt bieten. Deshalb ste­hen ihnen ver­schiedene Priv­i­legien zu. Allerd­ings ist in den let­zten Jahren festzustellen, dass pri­vate Medi­enun­ternehmen vor allem prof­i­to­ri­en­tiert agieren, während viele öffentlich-rechtliche Sender in den Haupt­sendezeit­en die Quoten im Blick haben. Anstatt möglichst vie­len möglichst oft etwas zu bieten, wird ver­sucht, bes­timmte Ziel­grup­pen möglichst lange an das eigene Ange­bot zu binden. Dadurch wird, ins­beson­dere in Radio und Fernse­hen, auch die Gen­re­vielfalt eingeengt. Ani­ma­tions­filme für Jugendliche und Erwach­sene, Kurz­filme sowie der lange Doku­men­tarfilm spie­len nur eine Rand­no­tiz. Einige kom­merzielle Fernsehsender erfüllen nicht ein­mal die Vor­gaben des Rund­funkstaatsver­trags, die Hälfte ihres Ange­bots mit europäis­chen Werken zu füllen. Die Lan­desme­di­en­anstal­ten müssen gegen diese Geset­zes- und Lizen­zver­stöße mit den ihnen zur Ver­fü­gung ste­hen­den Mit­tel vorge­hen.

1991 wurde die Grund­lage für den heuti­gen Rund­funkstaatsver­trag gelegt. Damals war das Inter­net irrel­e­vant, Handys passten nur in Ruck­säcke und nicht in Jack­en­taschen. Seit­dem kann der Rund­funkstaatsver­trag nur dann verän­dert wer­den, wenn alle Bun­deslän­der zus­tim­men. Kom­pro­misse sind notwendig, es sind immer nur kleine Verän­derun­gen möglich. Auch kann ein Land jede weit­ere Entwick­lung block­ieren, so wie derzeit anscheinend Sach­sen-Anhalt beim Teleme­di­en­auf­trag der Sender.

Nach zweiein­halb Jahrzehn­ten der kleinen Schritte bedarf es eines neuen großen medi­en­poli­tis­chen Wurfs. Anson­sten wer­den die deutschen Medi­en­an­bi­eter, egal ob öffentlich-rechtlich organ­isiert oder kom­merziell ori­en­tiert, gegenüber den inter­na­tionalen Großan­bi­etern und kap­i­tal­starken Seit­ene­in­steigern langfristig keinen Stich mehr sehen.

Für uns ist klar:

  1. So wie Zeitun­gen und Zeitschriften kein Radio und Radio kein Fernse­hen ist, kann es im Inter­net auch keine Presse geben. Das Kri­teri­um der Presseähn­lichkeit für Inter­ne­tange­bote führt in die Irre, da ja auch Ver­lage im Netz ohne Rund­fun­kl­izenz audio­vi­suelle Ange­bote unter­bre­it­en dür­fen.
  2. Neue Medi­en­an­bi­eter sind unab­hängig von der Ver­bre­itung mit den jet­zi­gen Rund­funkan­bi­etern gle­ichzustellen, wenn sie als audio­vi­suelle Inhalte anbi­eten (Grund­tatbe­stand), die Aktu­al­ität bieten, Bre­it­en­wirkung und Sug­ges­tivkraft (als Qual­i­fika­tion­statbe­stand) haben.
  3. Inter­na­tionale Medi­en­an­bi­eter haben den deutschen und europäis­chen rechtlichen Stan­dards gerecht zu wer­den.
  4. Der Vielfalts­forderung ist nicht allein dadurch Rech­nung getra­gen, dass es eine Vielzahl an Ange­bote gibt. Die Tiefe und Qual­ität der Infor­ma­tio­nen und Hin­ter­gründe von Mei­n­ungsver­schieden­heit­en muss in ein­er Weise aufgear­beit­et wer­den, die ihrer Kom­plex­ität gerecht wird.
  5. Der Vielfalt in Radio und Fernse­hen ist nicht allein dadurch Rech­nung getra­gen, dass entsprechende Ange­bote im Nacht­pro­gramm oder in den Mediatheken ange­boten wer­den. Die Vielfalt­san­forderun­gen gel­ten ins­beson­dere auch für die Zeit­en großer Reich­weit­en – beim Radio also am Mor­gen und beim Fernse­hen vom Vor­abend bis zur Sec­ond Prime-Time.
  6. Um die Vielfalt in der Gesellschaft wider­spiegeln und Ange­bote für alle Grup­pen und Schicht­en machen zu kön­nen, müssen sich in den Sendern auch alle Geschlechter, sozialen Grup­pen und Schicht­en wiederfind­en. Dies schließt Ent­gelt­gle­ich­heit und eine Min­destquotierung von 50 Prozent bei der Beset­zung von Führungspo­si­tio­nen sowie der Ver­gabe von Pro­duk­tio­nen für Frauen ein.
  7. Es muss disku­tiert wer­den, ob der Rund­funkbeitrag auch für die Ange­bote Drit­ter in Presse, Rund­funk und Online zu öff­nen ist, die gesellschaftlich-rel­e­vante Infor­ma­tion­sange­bote unter­bre­it­en und dabei jour­nal­is­tis­chen Qual­itäts­stan­dards gerecht wer­den.
  8. Die Beschränkun­gen der Wer­bezeit­en, mit Aus­nahme des Kinder­pro­gramms, für die kom­merziellen Rund­funkan­bi­eter wer­den aufge­hoben. Wer­bung wie auch Prod­uct Place­ment sind, zum Zeit­punkt des Auftretens, zu kennze­ich­nen.
  9. Die Sender müssen fair mit den Auftragsnehmer*innen und Produzent*innen umge­hen und die einzel­nen Rechte, ins­beson­dere für die Onli­nenutzung, angemessen vergüten. Qual­ität kann kaum unter prekären Bedin­gun­gen geliefert wer­den. Län­gere Ver­weil­dauern in den Mediatheken sind geson­dert zu vergüten. In den Verträ­gen ist die Vergü­tung für jedes in Anspruch genommene Recht geson­dert darzustellen.
  10. Die Vor­gaben in den Rund­funkstaatsverträ­gen beziehungsweise in den Lizen­zen sind für die kom­merziellen Anbi­eter zu kon­trol­lieren sowie durchzuset­zen. Ver­stöße dage­gen wie auch fehler­hafte Berichter­stat­tung sind entsprechend zu ahn­den. Die Sank­tio­nen soll­ten bei bis zu 1 Prozent des Jahre­sum­satzes liegen.

Den öffentlich-rechtlichen Sendern ist beson­deres Augen­merk zu schenken, da er das Poten­tial hat, unab­hängig von den Inter­essen Drit­ter, sei es der Poli­tik oder des Kom­merzes, Pro­gramm zu machen.

  1. Dem öffentlich-rechtlichen Rund­funk sind Ziele und Zwecke, ver­gle­ich­bar der Char­ta der BBC, z.B. betr­e­ffs der Exzel­lenz der Ange­bote, den Aus­bau regionaler Inhalte, die Förderung der kreativ­en und kul­turellen Land­schaft sowie den Aus­bau von Bil­dung und Kul­tur, vorzugeben. Sie haben einen Pub­lic Val­ue zu liefern sowie die Trans­parenz auszubauen.
  2. Der parteipoli­tis­che und staatliche Ein­fluss in den Gremien ist zu reduzieren.
  3. Die Sender müssen die Ange­bote der Kom­mu­nika­tion mit den Bürger*innen aus­bauen. For­men und Ange­bote der Bürger*innenbeteiligung und Kom­mu­nika­tion mit den Nutzer*innen sind weit­er zu entwick­eln.
  4. Die Höhe des Rund­funkbeitrags fol­gt dem Auf­trag, den die Sender zu erfüllen haben.
  5. Der Anteil der Sportaus­gaben an den Jahres­ge­samtkosten des Ersten bzw. Zweit­en ist zu reduzieren.
  6. Die Altersver­sorgung ist unter Gle­ich­be­hand­lungs­gesicht­spunk­ten grundle­gend so zu reformieren, dass sie die Spiel­räume der Sender nicht weit­er ein­schränkt.
  7. Wer aus „öffentlichen Mit­teln“ finanziert wird und sich der Trans­parenz wider­set­zt, der unter­gräbt seine eigene Zukun­ft. Die Mit­telver­wen­dung muss bis auf die einzelne Sendung trans­par­ent sein. Die Kosten von Verträ­gen ab 5 Mil­lio­nen Euro sowie von Moderator*innen und Expert*innen sowie für AT-Verträge sind nach Ver­tragss­chluss zu veröf­fentlichen.
  8. Der öffentlich-rechtliche Rund­funk ist zu ein­er Plat­tform weit­erzuen­twick­eln, die per­so­n­en­spez­i­fis­che Ange­bote ermöglicht, datensparsam agiert und dabei auch für Dritte offen ste­ht. Anstatt sich vor allem auf die Ange­bote Drit­ter zu begeben, sollte er seine Reich­weite nutzen, um die Ange­bote ander­er sowie deren Nutzer zu sich zu ziehen.
  9. Statt der Dreistufen­tests für die Teleme­di­en­ange­bote sollte es Pub­lic-Val­ue-Tests für das gesamte Ange­bot geben.
  10. Die öffentlich-rechtlichen Sender sollen ihre Inhalte auch über die genehmigten Ver­weil­dauern hin­aus in ein­er eige­nen Mediathek ver­mark­ten kön­nen, wenn sie die Produzent*innen angemessen an den Ein­nah­men beteili­gen.

Für uns ist als erste Prämisse geset­zt: Ein stark­er öffentlich-rechtlich­er, staats­fern­er Rund­funk ist für eine demokratis­che Gesellschaft unverzicht­bar.

Eine zweite Prämisse ist: Wenn alle Rund­funkbeitrag bezahlen, müssen die Sender auch allen etwas bieten – zwis­chen Vor­abend und Sec­ond Prime Time und dies mehrmals in der Woche.

Drit­tens gilt: Wenn alle Rund­funkbeitrag bezahlen, „gehört“ der öffentlich-rechtliche Rund­funk der Gesellschaft und muss eine plu­rale, freie Mei­n­ungs­bil­dung ermöglichen.

Viertens ist für uns klar, dass man aus dem Rund­funkbeitrag auch weit­ere Medi­en­ange­bote finanzieren kann, wenn diese jour­nal­is­tis­chen Stan­dards genü­gen.

Fün­ftens ste­ht für uns fest: Der Vielfalt­sauf­trag gilt auch für pri­vate kom­merziell ori­en­tierte Medi­en­an­bi­eter. Eine Steigerung der Ren­dite darf wed­er zu Las­ten der Vielfalt gehen noch prekäre Beschäf­ti­gung befördern.