Sechs Forderungen der tourismuspolitischen Sprecherinnen und Sprecher DIE LINKE.

Mehr Gerechtigkeit in der Coro­na-Krise

Sechs Forderun­gen der touris­mus­poli­tis­chen Sprecherin­nen und Sprech­er DIE LINKE.

Vorbe­merkung

Die Coro­na-Krise stellt beson­ders die Touris­mus­branche vor enorme Her­aus­forderun­gen. Viele Unternehmen im Frem­den­verkehr ste­hen vor der Insol­venz, die Angestell­ten sind in Kurzarbeit, Soloselb­ständi­ge müssen ohne Einkom­men leben, Reisende warten verge­blich auf die Rück­zahlung ihres bezahlten Reisepreis­es. Trotz Kurzarbeit mussten Rei­sev­er­anstal­ter geplante Reisen rück­ab­wick­eln, das heißt Kun­den­gelder erstat­ten und Aus­fal­lkosten an Air­lines, Hotels usw. zahlen. Reise­büros haben bei der Rück­ab­wick­lung unter­stützt mit dem Ergeb­nis, dass Pro­vi­sio­nen nicht gezahlt wer­den.

Bund und Län­der haben generell schnell gehan­delt: Für viele Branchen gibt es Direk­thil­fen, umfan­gre­iche Kred­it­pro­gramme, staatliche Bürgschaften und Ret­tungspläne. Die soziale Absicherung von Men­schen in Kurzarbeit oder Arbeit­slosigkeit wurde ver­stärkt.

Aber ger­ade im Bere­ich des Touris­mus gibt es immer noch viel zu tun. Denn mehr und mehr haben die dort Beschäftigten den Ein­druck, dass es beson­ders die großen Unternehmen sind, die mit großzügi­gen Staats­geldern gerettet wer­den sollen ohne dabei Garantien für z.B. Erhalt der Arbeit­splätze abgeben zu müssen. Mehr noch entzieht sich Lufthansa der Staats­beteili­gung. Doch die Coro­na-Krise darf nicht zulas­ten der Schwachen gehen. In Summe sind dort weitaus mehr Men­schen beschäftigt als bei Lufthansa und TUI.

Wir linken Tourismuspolitiker*innen wollen uns nicht vorstellen, wie unsere Regio­nen ohne oder mit erhe­blich weniger Touris­tik- und Freizeit­be­trieben aussieht. Die Touris­mus­branche ist schön längst mehr als der Jahresurlaub. Sie stellt einen Teil der Struk­tur, die wir an Woch­enende mit Fam­i­lien nutzen, sie engagiert sich im Bere­ich der Nach­haltigkeit, des Arten­er­halts, sie springt in weniger dicht besiedel­ten Gebi­eten nicht sel­ten ein, wenn Buslin­ien von den kom­mu­nalen Verkehrsan­bi­etern nicht mehr bedi­ent wer­den kön­nen — um nur ein paar Beispiele zu nen­nen. Reisen ist Bil­dung. Nicht zulet­zt kämpfen auch viele diese Unternehmen mit darum, dass wir eine weltof­fene Gesellschaft bleiben.

Wir linke Touris­mus­poli­tik­erin­nen und Touris­mus­poli­tik­er fordern mehr soziale Gerechtigkeit bei der Krisen­be­wäl­ti­gung.

  1. Forderung: Steuergelder müssen bei den kleinen Unternehmen ankom­men.

Die Bun­desregierung hat schnell Schritte zur Ret­tung von angeschla­ge­nen Großkonz­er­nen unter­nom­men, zum Beispiel bei Lufthansa (9 Mil­liar­den Euro), Con­dor (550 Mil­lio­nen Euro) oder TUI (1,8 Mil­liar­den Euro). Doch die kleinen Reise­büros müssen immer noch auf Unter­stützung hof­fen. Lediglich Über­brück­ung­shil­fen für Betrieb­skosten wur­den im Rah­men des Kon­junk­tur­pakets in Aus­sicht gestellt. Doch das drän­gende Liq­uid­ität­sprob­lem der kleinen Betriebe für die Rück­zahlung von Pro­vi­sio­nen und Kun­den­geldern bleibt. Auch bei den kleinen Rei­sev­er­anstal­tern geht es um Arbeit­splätze und Exis­ten­zen.

Wir fordern einen steuer­fi­nanzierten Fonds für kleine und mit­tel­ständis­che Unternehmen, der später von den Betrieben wieder aufge­füllt wird. Außer­dem müssen Unter­stützungsleis­tun­gen an die Ein­hal­tung sozialer Stan­dards gekop­pelt sein, z.B. Sicherung von Arbeit­splätzen. Gute Arbeit ist auch in der Krise möglich!

  1. Forderung: Sub­ven­tio­nen an Arbeit­splatzer­halt knüpfen

Wer­den Kap­i­talge­sellschaften im Touris­mussek­tor unter­stützt, dann müssen die staatlichen Hil­fen an Bedin­gun­gen geknüpft sein. Dazu gehören der Verzicht auf betrieb­s­be­d­ingte Kündi­gun­gen und Stel­len­ab­bau, das Erre­ichen verbindlich­er ökol­o­gis­ch­er Ziele und der Verzicht auf die Auss­chüt­tung von Div­i­den­den. Forderun­gen nach ein­er Aufwe­ichung oder gar Abschaf­fung des Min­dest­lohns und des Arbeit­szeit­ge­set­zes im Touris­mus und der Gas­tronomie lehnen wir entsch­ieden ab.

Dass es Lufthansa gelun­gen ist, die staatliche Beteili­gung zu ver­hin­dern, hal­ten wir für falsch.

  1. Forderung: Der Ver­brauch­er­schutz muss aus­geweit­et wer­den

Die Bun­desregierung hat schon sehr früh in der Krise ver­sucht, den Ver­brauch­er­schutz zu schleifen. Anstatt die Rück­zahlung von angezahlten oder bezahlten Reisen weit­er­hin zu ermöglichen, soll­ten die Kundin­nen und Kun­den zu Gutscheinen gezwun­gen wer­den. Erst die EU-Kom­mis­sion hat diesen Ver­such ein­er kalten Enteig­nung gestoppt. Nun wird es Gutscheine auf frei­williger Basis geben.

Die Bun­desregierung hat endlich einge­se­hen, dass die bish­eri­gen Regelun­gen zum Schutz der Kund­schaft vor Insol­venz des Reise­un­ternehmens viel zu kurz greifen. Die Koali­tion aus SPD und CDU/CSU hat­te die europäis­che Richtlin­ie über Pauschal­reisen und ver­bun­dene Reise­leis­tun­gen zu ver­braucher­feindlich in deutsches Recht über­tra­gen. Jet­zt wird zwar nachgebessert, doch für die aktuelle Krise wird die neue Regelung zu spät kom­men. Einige Unternehmen mussten schon aufgeben.

Wir fordern, dass Kundin­nen und Kun­den bess­er geschützt sein müssen. Viele warten immer noch auf die Rück­zahlung der ihnen zuste­hen­den Gelder. Hier muss der Bund ein­sprin­gen. Genau­so muss der Bund dort ein­sprin­gen, wo Men­schen ver­sucht haben, mit Gutscheinen ihrem Reise­büro zu helfen, dieses aber nicht über­lebt hat.

  1. Forderung: Reisegutscheine für bedürftige Fam­i­lien im Wert von 500 Euro pro Kind

zum Ein­lösen für Kinder- und Jugen­dreisen oder Kinder- und Jugend­freizeit­ein­rich­tun­gen im Inland

Viele Rei­sev­er­anstal­ter und (gemein­nützige) Vere­ine — ger­ade im Seg­ment Kinder- und Jugen­dreisen — haben keine Umsätze mehr. Klassen­fahrten und Kinder­fe­rien­lager sind abge­sagt. Freizeit­ein­rich­tun­gen sind teil­weise noch geschlossen. Außer­dem haben viele Fam­i­lien weniger Einkom­men als vor der Krise. Urlaub­sreisen wer­den sich viele Fam­i­lien in diesem und vielle­icht auch in den kom­menden Jahren nicht leis­ten kön­nen.

Schon vor Coro­na kon­nten viele Kinder und Jugendliche aus finanziellen Grün­den nicht an Ferien­freizeit­en teil­nehmen. Viele ver­reisen sog­ar nie: 24 % aller unter 18jährigen in Deutsch­land sind zu arm für eine Urlaub­sreise.

Bere­its heute gibt es in 9 Bun­deslän­dern schon Zuschüsse für Urlaub in gemein­nützi­gen Fam­i­lien­fe­rien­stät­ten für finanziell benachteiligte Fam­i­lien. Aber in dieser exis­ten­ziellen Krise für Fam­i­lien und Ver­anstal­ter reicht das nicht: der Bund muss ein­sprin­gen.

Wir fordern einen Reisegutschein von 500 Euro für jedes Kind aus bedürfti­gen Fam­i­lien, der für Kinder- oder Jugen­dreisen oder für den Besuch von Freizeit­ein­rich­tun­gen in Deutsch­land ver­wen­det wer­den kann.

Das hil­ft Fam­i­lien und den Ver­anstal­tern von Kinder- und Jugen­dreisen. In dieser Krise brauchen wir schöne Ferien für alle Kinder!

  1. Jugend­her­ber­gen und Unterkün­fte für Klassen‑, Bil­dungs- und Fam­i­lien­reisen erhal­ten

Wir fordern Bund und Län­der gle­icher­maßen auf, das flächen­deck­ende Netz an Jugend­her­ber­gen und Unterkün­ften für Klassen‑, Bil­dungs- und Fam­i­lien­reisen zu erhal­ten. Wir beobacht­en mit Sorge, dass der Jugend­her­bergsver­band etliche sein­er Ein­rich­tun­gen im Som­mer nicht öff­nen wird. Ähn­lich­es gilt für Unterkün­fte, die nicht im Ver­band organ­isiert sind, aber ähn­liche Ange­bote gestal­ten. Diese Ein­rich­tun­gen sind Orte der Begeg­nung, der Bil­dung und nicht zulet­zt auch Urlaub­sziel für Men­schen mit weniger Einkom­men. Ange­bote dieser Art dür­fen der Krise nicht zum Opfer fall­en, son­dern müssen aus­fi­nanziert wer­den.

  1. Auch zukün­ftig Recht auf Erhol­ung sich­er­stellen

Artikel 24 der All­ge­meinen Erk­lärung der Men­schrechte sichert das Recht auf Erhol­ung und Freizeit. Wir beobacht­en mit Sorge, dass sich die Beruf­swelt immer weit­er effek­tiviert und ratio­nal­isiert, dass Pri­vates und Beruf ver­schwim­men. Die Coro­na-Pan­demie hat Dig­i­tal­isierung im Beruf­sall­t­ag Vorschub geleis­tet. Ander­er­seits sehen wir, wie viele Freizeit- und Touris­mus­be­triebe ger­ade am Abgrund ste­hen.

Zukün­ftig wird, das ‚Raus aus den eige­nen vier Wän­den’, mal etwas anderes sehen, den Urlaub nicht in der eige­nen Woh­nung ver­brin­gen zu müssen an Bedeu­tung gewin­nen. Wir haben jet­zt poli­tisch die Auf­gabe, sicherzustellen, dass die dafür nöti­gen Voraus­set­zun­gen erhal­ten bleiben.