Ein Verein kurz vor dem Aufgeben — Gründe, Bitten und Notwendiges für die Jugendhilfelandschaft in Freital
Ich hatte vergangene Woche eine Videokonferenz mit Frau Sommer vom Mundwerk e.V.
Sie kann nicht, ohne anderen zu helfen. 25 Jahre lang hat sie sich mit 15 Ehrenamtlichen, 9 weiteren Vereinsmitgliedern und drei Hauptamtliche für Angebote für junge Menschen, Schüler*innen eingesetzt … eine Alternative zum Hort, mit Mittagessen, sehr persönlich mit Hausaufgabenbetreuung. Eine solches Angebot hat Mundwerk e.V. in Freital-Potschappel initiiert und betrieben. 25 Essen wurden durchschnittlich in den letzten 25 Jahren pro Tag ausgegeben. Es ging immer darum, dass Eltern und Kinder eine Wahl haben zwischen Hort und alternativen Angeboten.
Nun ist Schluss damit. Nicht aufgrund von Corona. Sondern weil die Perspektive fehlt, um genau dieses Angebot aufrecht zu erhalten.
Die Förderungsrichtlinie wurde durch den Landkreis umgestaltet. Gut daran ist, dass es jetzt eine Förderung von vier Jahren gibt. Aber um gefördert zu werden müssten die Angebote so umgestaltet werden, dass das Angebot so nicht mehr bestehen könnte. Unter anderem müsste die Zielgruppe erweitert werden und der Schwerpunkt nicht mehr auf Grundschulkindern, sondern auf Jugendlichen liegen und die Öffnungszeiten müssten ausgedehnt werden. Dem Grunde nach lässt die Förderung kaum ein Parallelangebot zum Hort zu. Das ist jedoch mit einer geringeren Förderung, von ehemals 120.000 EUR sind es jetzt nur noch 93.000 EUR nicht zu stemmen, wenn es nicht zu Lasten der jüngeren Schüler*innen gehen soll.
Die Stadt Freital selbst hat wohl genauso wenig wie der Landkreis damit gerechnet, dass Mundwerk e.V. sich nicht wieder auf die Förderung bewirbt. Allerdings ist nicht die neue Förderrichtlinie das einzige Problem. Die sog. Konkurrenz zum Hort war immer wieder Thema. Weiterhin stand in den Sternen, wie es mit dem Sitz des Vereins, den genutzten Räumlichkeiten weitergehen soll. Hier erfolgten keine Gespräche. Von Stadtratssitzungen zur Immobilie erfuhr der Verein nichts oder nur durch Zufall. Es wurde nie ein Interesse seitens der Stadt Freital bekundet, dass der Verein bleiben soll, wenn Freital die Immobilie kauft.
Was bleibt: Bis zum Sommer wird sich eine Mitarbeiter*in weiterhin um die Schüler*innen kümmern. Online-Lernen begleiten, helfen, tun, was möglich ist. Dann läuft die Stelle aus. Wenn jemand einen funktionsfähigen, internetfähigen Rechner, ein Tablet oder auch einen Drucker zu Hause rumstehen hat, kann sich bei uns melden. Wir geben diese an den Verein weiter, damit Schüler*innen damit ausgestattet werden können.
Der Verein muss bis Sommer eine grundsätzliche Entscheidung treffen, ob er bestehen bleibt. Es stehen den Vereinsmitgliedern weitere schlaflose Nächte ins Haus.
Generell ist und bleibt Sozialarbeit auf dem Markt schwierig. Marktwirtschaftliche Gebaren halten auch in der Jugendhilfe Einzug. Damit macht es den Anschein, dass am Ende die Größeren überlegen sind‘, gibt uns Frau Sommer am Ende des Gespräches noch mit auf den Weg.
Notwendigkeiten im Bereich der Jugendhilfe in Freital und generell:
- Streetworker fehlen in Freital. Manche jungen Menschen können nicht in die bestehenden Angebote eingebunden wurden. Sie gehen da aus unterschiedlichen Gründen einfach nicht hin. Diese müssen aufgesucht werden, wenn es einen gesellschaftlichen Anspruch gibt, allen Kindern und Jugendlichen die gleichen Angebote einzuräumen.
- Es braucht auch weiterhin offene Angebote für jüngere Schüler*innen unter 10 Jahren. Nicht jede*r hat ein Umfeld oder Familie, in der alles wie von selbst läuft.
- Die Essensausgabe an Schüler*innen muss grundsätzlich überdacht werden. Freies Schulessen auf Antrag ist keine Lösung, weil die Schüler*innen hier immer auf die Mitwirkung der Eltern angewiesen sind. Sie müssen den entsprechenden Antrag stellen. Freies Schulessen für alle unabhängig von Eltern und Anträgen wäre eine echte Hilfe.
- Es braucht viele laute Stimmen, die Notlagen im Bereich der Jugendhilfe kommunizieren. Immer wieder die gleiche Person wird irgendwann nicht mehr gehört.
- An Schulen sollte Frühstück angeboten werden. Nicht alle Schüler*innen bekommen dieses von Hause aus.
- Gerade jetzt müssen an Schulen entstehende Lücken zwischen den Schüler*innen geschlossen werden. Nicht jeder kann am Onlineunterricht teilnehmen. Oft hapert es an Endgeräten und Zugang zum Internet.
Bild: https://www.mundwerk-freital.de/